Lieber Pickel als Pille: Hanna Bohnekamp will keine Hormone mehr - und verzichtet dafür auf Modeljobs

Sie hat eine Traumfigur, eine wunderhübsches Gesicht - und Akne: Model Hanna Bohnekamp, Finalistin der Casting-Show "Germany's Next Topmodel", macht Schluss mit der Antibabypille. Die Hormone, sagt sie, greifen ihr zu stark in ihren Körper ein.

Hanna ist nur eine von vielen Frauen, die auf die tägliche Hormoneinnahme mit der Antibabypille lieber verzichten. Das hat jedoch zur Folge, dass auch die positiven Effekte der Pille wegfallen. Hanna hatte sich ihre Pille mit 14 verschreiben lassen, um vor allem etwas gegen ihre Akne zu tun. Für ihren Weg ins Modelbusiness war das äußerst hilfreich: 2010 schaffte Hanna Bohnekamp es bei Heidi Klums Casting-Show "Germanys Next Topmodel" bis ins Finale, wurde Zweite der Staffel. Seitdem arbeitet sie erfolgreich als Model. Mit einem Traumkörper, wunderschönen langen Haaren und ihren zarten Gesichtszügen zählt die 26-Jährige ohne Zweifel zu den Topmodels. Doch seit einiger Zeit bekommt Hanna für Shootings auch schon mal Absagen, erzählt sie: "Es hat natürlich Auswirkungen auf mein Modeljob. Wir brauchen klare Haut. Es gibt Kunden, die sagen, dass man dann eben raus ist. Das darf man dann nicht persönlich nehmen. Und ich gehe davon aus, dass das mit der Haut auch kein Dauerzustand ist."

 

Hanna Bohnekamp hat ihre Pille vor einem halben Jahr abgesetzt. Der Grund, weshalb sie nicht mehr täglich Hormone zu sich nehmen will, seien vor allem die unerwünschten Nebenwirkungen gewesen, wie Brustschmerzen und starke Stimmungsschwankungen. "Als ich sie abgesetzt habe, waren die Beschwerden von einem auf den anderen Tag weg. Und da konnte ich mir sicher sein: Das kam von der Pille. Und ich habe danach noch viele andere Dinge bemerkt, zum Beispiel dass ich Wassereinlagerungen hatte." Allerdings machte sich prompt auch die schlechte Haut aus Jugendzeiten wieder bemerkbar. "Jetzt ist es echt akut, gerade im Wangenbereich und am Hals ist es ganz extrem." Anfangs sei das ein ziemlicher Schock für sie gewesen, doch mit den Monaten lernte sie damit umzugehen - und zeigt sich trotz Akne auch ganz ungeschminkt auf der Straße oder ihrem Instagram-Profil. Die Pille will sie nie wieder nehmen.

 

<h2>"Risiken und Nebenwirkungen der Pille dürfen nicht kleingeredet werden"</h2>

 

Wie Hanna Bohnekamp lassen sich viele junge Frauen die Pille nicht zum primären Zweck der Schwangerschaftsverhütung verschreiben, sondern für eine reinere Haut. stern TV hatte in der Vergangenheit bereits über unerwünschte Wirkungen etlicher Präparate und die damit verbundenen Risiken berichtet, über die Patientinnen im Vorfeld oftmals gar nicht aufgeklärt werden. Die Pille ist eben ein Medikament. Das kritisiert auch Arzneimittelexperte Prof. Gerd Glaeske von der Universität Bremen. "Ein Arzneimittel wird durch die Aufmachung und Bewerbung völlig unterschätzt", so der Pharmakologe. "Das führt dazu, dass Mädchen und junge Frauen an die Risiken gar nicht denken und darauf auch gar nicht aufmerksam gemacht werden. Die Aufklärungsverpflichtung liegt nach wie vor bei den Ärzten und dabei dürfen die Risiken nicht kleingeredet werden." Laut Glaeske sollte die Pille schon nicht verschrieben werden, wenn es überhaupt nicht auf die Verhütung abziele, sondern lediglich um Akne geht. "Das finde ich unvernünftig. Das ist etwas für den Dermatologen, wo es ebenfalls wirksame Mittel gibt, mit denen man Akne sehr gut behandeln kann."

 

<h2>Nebenwirkungen zeitnah nach der Ersteinnahme abklären</h2>

 

Hanna Bohnekamp war 14, als die Gynäkologin ihr die Pille gab. "Ich habe ein Probierpaket bekommen, ganz süß, im bunten Blister mit Rosenblättern drauf, das fand ich schön", erinnert sich die 26-Jährige. Dass der Frauenarzt ausdrücklich auf Nebenwirkungen hingewiesen hat, daran könne sie sich nicht erinnern. "Als ich die Pille bekommen habe, habe ich mich auch auf jeden Fall gefreut, dass meine Haut besser wird. Das war für mich noch viel wichtiger, als die Verhütung."

 

Ihr Wunsch ging in Erfüllung: Ihre Haut verbesserte sich und sie wurde bei "Germanys Next Topmodel" angenommen. Runde für Runde kam sie weiter. Nach dem Finale begann das Leben als viel gebuchtes Model. Doch schon damals spürte sie Nebenwirkungen der Pille: "Diese Brustschmerzen waren vor allem nachts spürbar. Es spannte und war hart", erzählt Hanna. Das schilderte sie mehrfach auch ihrem Frauenarzt. "Ich habe dann immer wieder gesagt, dass ich Brustschmerzen habe. Aber das war halt so, das war wohl das Wachstum – 'ganz normal'." Prof. Glaeske sieht auch in diesem Punkt die Frauenärzte in der Pflicht, mögliche Nebenwirkungen genau abzuklären. "Ich halte es für besonders wichtig, wenn die Pille zum ersten Mal oder in den ersten Jahren verordnet wird, immer wieder auch darauf hinzuweisen, welche Risiken es gibt. Und wenn eine junge Frau wiederkommt und ein weiteres Rezept möchte, sollte man klären: Wie ist die Pille vertragen worden, welche Veränderungen hat sie an sich festgestellt?".

 

 

 

 

<h2>Thrombosen, Gewichtszunahme, Libidoverlust – bis hin zu psychischen Störungen</h2>

 

Auf der stern TV-Facebookseite berichteten Hunderte Frauen von ihren Erfahrungen mit Nebenwirkungen der Pille, über die sie nicht aufgeklärt worden seien. "Es geht um Thrombosen, Gefäßverschlüsse, dass es zu Gewichtszunahmen kommen kann", so Glaeske. "Und auch, wie es in den Beipackzetteln steht, dass es zum Verlust sexueller Neugier oder auch sexueller Lust kommt. Es können aber auch psychische Störungen entstehen."

 

Die größte Untersuchung dazu machten Forscher 2016 in Dänemark mit über einer Million Frauen. Die Ergebnisse lassen aufhorchen: Frauen die hormonelle Verhütungsmethoden nutzten, bekamen häufiger Antidepressiva. Im Vergleich mit Frauen, die noch nie mit Hormonen verhütet hatten, bekamen diejenigen, die die Pille nahmen zu 70 Prozent häufiger Antidepressiva, unter jungen Frauen bis 19 Jahren stieg die Wahrscheinlichkeit Antidepressiva zu bekommen mit der Pille um 120 Prozent an.

 

 

 

 

 

<h2>"Ich habe jeden Abend geweint, geweint, geweint"</h2>

 

Ann-Christin Müller aus Neukirchen-Vluyn bekam die Pille im Alter von 15 Jahren verschrieben. Danach litt sie jahrelang an Depressionen. "Das war eine schwierige Zeit, vor allem für meine Familie. Es gab Monate, da habe ich wirklich jeden Abend nur geweint, geweint, geweint", erzählt sie. Ein halbes Jahr lang nahm die Verkäuferin Antidepressiva, konnte nicht mehr arbeiten – und wurden schließlich acht Wochen stationär in einer Klinik behandelt. Dass ihre Depression mit der Pilleneinnahme zusammenhängen könnte, merkte die 25-Jährige erst, als sie die Verhütung einstellte, sagt Ann-Christin Müller: "Meine Stimmung ist wesentlich besser geworden, ich habe wieder mehr Antrieb bekommen, mehr Lust bekommen, was zu unternehmen." Die Veränderung stellte auch ihr Ehemann unmittelbar fest, er sagt: Man muss sich vorstellen, dass man jemandem in die Augen schaut und man sieht in eine tiefe Leere. Das war vorher", so Patrick Müller. "Und wenn man ihr jetzt in die Augen schaut, sieht man da ein Strahlen, da sieht man Freude."  Ann-Christin Müller nimmt jetzt seit zwei Jahren keine hormonelle Verhütung mehr – und will die Pille auch nie wieder.

 

Pharmakologe Prof. Gerd Glaeske: "Es ist bei vielen Frauen ein gewisses Umdenken zu beobachten"

 

<h3>Welche Pillen sind risikoreich - und warum?</h3>

 

 

 

 

 

Die weiblichen Geschlechtshormone – Östrogene und Gestagene – regeln den Menstruationszyklus. In den Antibabypillen sind diese Hormone in der Regel kombiniert enthalten. Das sind die so genannten Mikropillen. Die so genannten Minipillen hingegen enthalten nur Gestagen.

 

Das Gestagen in den Pillen wird künstlich hergestellt und heißt dann Desogestrel, Dienogest, Gestoden, Chlormadinon, Drospirenon, Cyproteron oder Nomegestrol –Wirkstoffe mit hormonartiger Wirkung, die jeweils ähnliche Wirkungen auf die Gebärmutterschleimhaut haben und somit eine Schwangerschaft verhüten. Frauen, die keine Östrogene einnehmen sollen, werden oft Pillen mit diesen Wirkstoffen verordnet. Zumal sich manche gut auf das Hautbild auswirken.

 

Levonorgestrel ist ebenfalls ein gestagenähnlicher, hormoneller Wirkstoff. Pillen, die auf diesem Gestagen basieren, werden laut Pillenreport 2015 von den Arzneimittelexperten als weniger risikoreich eingestuft. Sie gehören der 1. und 2. Generation an und sind schon länger auf dem Markt, als die neuen Pillen mit den oben genannten Wirkstoffen.

 

Hier die Liste mit den Namen der meistverkauften Pillen und deren Risiko-Einschätzung (Wirkstoffe) aus dem Pillenreport 2015: Liste aufrufen 

 

Ausführliche Informationen finden Sie auch auf www.pille.tk.de

 

Habe ich ein Risiko?

Hier finden Sie eine Informations-Checkliste für die Einnahme kombinierter Pillen und hormoneller Verhütungsmittel.

 

 

 

<h2>Wenn Sie sich die Pille verschreiben lassen wollen, sollten Sie...</h2>

 

 

 

 

 

... Folgendes mit Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin besprechen:

 

 

  • Welches Präparat empfehlen Sie mir? Verordnen Sie dieses Präparat häufig und welche Rückmeldungen bekommen Sie von den Frauen, die diese Pille einnehmen?
  • Welches Gestagen enthält diese Pille? Ist das eine Pille der zweiten Generation?
  • Was ist Ihnen über die Verträglichkeit dieses Präparates bekannt, vor allem im Hinblick auf die Thrombosehäufigkeit?
  • Woran erkenne ich eine mögliche Thrombose, auf welche Anzeichen soll ich achten?

 

Quelle: Universität Bremen