Risiken und Nebenwirkungen
Darum wird vor diesen Antibiotika jetzt offiziell gewarnt
Seit der Behandlung einer Blasen- und Nebenhöhlenentzündung leidet Birgitta Anton unter Angstattacken, chronischem Muskelabbau und einem vollkommen zerstörten Verdauungssystem. "Weil meine Magen-Darm-Passage nicht mehr funktioniert, kann ich nicht mehr normal essen und trinken und habe unvorstellbare Schmerzen", berichtet die Konstanzerin. Der massive Nährstoffmangel habe dazu geführt, dass ihr Haare und sogar Zähne ausfielen, und sie habe "sämtliche hormonelle Störungen". Birgitta Anton führt ihre Probleme auf die Nebenwirkungen des Antibiotikums zurück, das ihr vor drei Jahren wegen der Entzündungen verordnet wurde: Ciprofloxacin. "Ich weiß noch, dass ich am letzten Tag der Einnahme hämmernde Kopfschmerzen bekam", erzählt Birgitta Anton. Und das war erst der Anfang ihrer Leidensgeschichte.
Der Wirkstoff gehört zu der Gruppe der so genannten Fluorchinolone, die es auch unter den Namen Ofloxacin, Norfloxacin, Moxifloxacin und Levofloxacin gibt. Sie alle sind so genannte Breitband-Antibiotika, die eigentlich nur bei besonders komplizierten bakteriellen Infektionen verschrieben werden. Etwa in bedrohlichen Fällen, in denen kein anderes Antibiotikum anschlägt. Experten sprechen deshalb auch von "Reserveantibiotika". Dennoch werden die Fluorchinolone von Ärzten oftmals zu leichtfertig verordnet. Die Nebenwirkungen können enorm sein.
Und offenbar geht es tausenden Patienten in Deutschland wie Birgitta Anton: Sie erlitten nach der Einnahme eines solchen Antibiotikums unter anderem Sehnenrisse, Nierenschäden oder bekamen Depressionen. In einschlägigen Foren haben sich unzählige Betroffene gemeldet.
Birgitta Anton war einst lebenslustig, sportlich, arbeitete als Physiotherapeutin. Heute ist sie arbeitsunfähig. "Ich habe immer Schmerzen. Ich bin ein chronischer Schmerzpatient", so die 36-Jährige. "Ich habe kaum Energie, einfach gar keine Kraft mehr für irgendwas im Leben." Eines der größten Probleme der Geschädigten: Viele Ärzte glauben ihnen nicht, dass die Beschwerden Nebenwirkungen eines Antibiotikums sein sollen. Auch Birgitta Antons Hausärztin sah keinen Zusammenhang mit dem Medikament. "Sie sagte, ich müsse mich täuschen, das sei ein sehr gut verträgliches Antibiotikum", berichtet sie. Als sie Monate nach Auftreten ihrer Beschwerden einen anderen Arzt konsultierte, kam heraus, dass fast alle ihre Symptome als mögliche Nebenwirkungen im Beipackzettel des Ciprofloxacins aufgelistet waren.
Rote Hand-Briefe sollen Verschreibungspraxis von Ärzten ändern und wichtige Ressourcen schonen
Seit vergangener Woche gibt es einen Warnhinweis der Arzneimittelbehörde – einen so genannten Rote-Hand-Brief, der Ärzte ausdrücklich auf die Gefahren dieser speziellen Antibiotika hinweisen soll. Die Rede ist von die Lebensqualität beeinträchtigenden, langanhaltenden und möglicherweise irreversiblen Nebenwirkungen.