Coronavirus: Was Arbeitnehmer jetzt wissen müssen

Darf ich aus Angst vor dem Coronavirus zuhause bleiben? Und erhalte ich bei einer Betriebsschließung weiterhin mein Gehalt? Rechtsanwältin Nicole Mutschke beantwortet die wichtigsten Rechtsfragen.

Verkürzte Arbeitszeiten, Home-Office, Betriebsschließung – immer mehr Unternehmen ergreifen Maßnahmen gegen das Coronavirus. Doch welche Rechte habe ich als Arbeitnehmer? Und welche Anprüche können bei abgesagten Reisen oder Veranstaltungen geltend gemacht werden? Rechtsanwältin Nicole Mutschke beantwortet die wichtigsten Fragen.

 

<h3>1. Werde ich krankgeschrieben, wenn ich in Quarantäne bin?</h3>

 

Wer nur vorsorglich in Quarantäne ist, am Virus erkrankt zu sein, ist nicht krank und wird auch nicht krankgeschrieben. Quasi als Ausgleich sieht das Infektionsschutzgesetz aber vor, dass derjenige, der durch Quarantänemaßnahmen einen Verdienstausfall erleidet, eine Entschädigung in Geld erhält.

 

Die Entschädigung wird zunächst vom Arbeitgeber ausgezahlt, dieser kann sich das Geld dann beim Staat zurückholen. Für die ersten sechs Wochen wird sie in Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Vom Beginn der siebenten Woche an wird sie in aller Regel in Höhe des Krankengeldes gezahlt. Auch Selbstständige erhalten eine Entschädigung in Höhe von einem Zwölftel ihres Arbeitseinkommens.

 

<h3>2. Können  Arbeitnehmer aus Furcht vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zuhause bleiben?</h3>

 

Arbeitgeber haben gegenüber ihren Arbeitnehmern Fürsorgepflichten, zu denen es auch gehört, Arbeitnehmer am Arbeitsplatz vor Gesundheitsgefahren zu schützen. Im Extremfall kann dies - etwa wenn der Virus im Betrieb bereits grassiert - dazu führen, dem betroffenen Standort zeitweise zu schließen und die Arbeitnehmer nach Hause zu schicken.

 

Die Entscheidung darüber trifft also der Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer und nicht etwa der Arbeitnehmer für sich selbst. Eine solche „Eigenquarantäne“  auf eigene Faust ist daher arbeitsvertraglich nicht zulässig. Dazu müsste der Arbeitnehmer schon tatsächlich am Virus erkrankt sein, um dann wegen Krankheit arbeitsunfähig zu sein.

 

Allein ein abstraktes Ansteckungsrisiko mit dem Coronavirus bzw. die Angst vor einer Ansteckung reicht nicht. In diesem Fall ist der Arbeitnehmer nicht unverschuldet verhindert und muss arbeiten. Bleibt der Arbeitnehmer dennoch einfach zuhause, verstößt er gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen. Dann riskiert er eine Abmahnung und im schlimmsten Fall sogar eine Kündigung.

 

<h3>3. Werde ich bei freiwilliger Quarantäne krankgeschrieben oder muss ich Urlaub nehmen?</h3>

 

Quarantäne ist nicht freiwillig. Diese wird von der zuständigen Behörde angeordnet. Dann erhält man auch den Verdienstausfall als Entschädigung. Als Arbeitnehmer darf ich mich nicht einfach in eine Art „Eigenquarantäne“ begeben. Dies ist arbeitsrechtlich nicht zulässig. Es drohen sogar eine Abmahnung und im Extremfall die Kündigung. Nur wenn man tatsächlich am Virus erkrankt ist, dann wird man auch krankgeschrieben. Für wen beides nicht zutrifft, der wird Urlaub nehmen müssen, wenn er trotzdem nicht arbeiten möchte.

 

<h3>4. Was ist mit meinem Gehalt, wenn der Betrieb wegen Corona vorübergehend geschlossen wird?</h3>

 

Das Bundesarbeitsministerium hat sich hier zu Wort gemeldet und erklärt, dass Arbeitgeber bei Betriebsschließungen zum Schutz vor einer Pandemie das Betriebsrisiko tragen und Arbeitnehmer weiterhin ihr Gehalt bekommen müssen. Dabei müssten die ausgefallenen Arbeitszeiten auch grundsätzlich nicht nachgearbeitet werden.

 

Allerdings kann es auch sein, dass die entsprechende gesetzliche Regelung im Arbeitsvertrag ausdrücklich ausgeschlossen ist. In diesem Fall müsste der Arbeitgeber den Arbeitgeber während der Schließung nicht bezahlen.

 

<h3>5. Darf Hotelpersonal seiner Arbeit verweigern, wenn das ganze Hotel unter Quarantäne gestellt wird?</h3>

 

Es kommt auf die genauen Umstände an, ob das Personal seine Arbeit verweigern darf. Grundsätzlich trifft den Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht für seinen Arbeitnehmer, wonach er seine Arbeitnehmer vor Gesundheitsgefahren möglichst schützen muss. Bei erheblichen Gefahren für die eigene Gesundheit wird man annehmen müssen, dass eine Beschäftigung dann nicht mehr zumutbar ist  

 

<h3>6. Kann ich von meinem Chef verlangen, aus Furcht vor einer Ansteckung auf dem Weg zur Arbeit im Home-Office zu arbeiten?</h3>

 

Die Entscheidung, ob ein Arbeitnehmer im Home-Office arbeiten darf, trifft grundsätzlich der Arbeitgeber. Einen Anspruch hat der Arbeitnehmer also nicht. Auf der andern Seite hat der Arbeitgeber gegenüber seinem Arbeitnehmer durchaus Fürsorgepflichten und muss Gesundheitsgefahren für seinen Arbeitnehmer möglichst vermeiden. Dazu wird aber allein ein abstraktes Ansteckungsrisiko auf dem Weg zur Arbeit nicht reichen.  

 

<h3>7. Darf der Arbeitgeber mich auf Dienstreise nach China oder andere betroffene Gebiete schicken?</h3>

 

Grundsätzlich trifft den Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht für seinen Arbeitnehmer, die auch beinhaltet, dass er seine Arbeitnehmer vor Gesundheitsgefahren möglichst schützen muss. 

 

Ob dies dazu führt, dass Dienstreisen in vom Virus betroffene Gebiete nicht mehr zulässig sind bzw. der Arbeitnehmer so eine Reise verweigern kann, ist daher vom Einzelfall abhängig.

 

Ein wichtiges Kriterium ist dabei, ob am Zielort eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben des Arbeitnehmers besteht. Orientieren kann man sich z.B. an den Reisewarnungen des Auswärtigen Amts. Eine solche Warnung liegt z.B. für die Region Hubei in China vor, hier wird daher die Anordnung einer Dienstreise nicht mehr billigem Ermessen entsprechen und der Arbeitnehmer einer solchen Dienstreise mit guten Gründen nicht antreten müssen.

 

Für andere inzwischen betroffene Regionen, etwa Italien, muss schon genauer hingesehen werden. Hier gibt es zwar verschärfte Reisehinweise, aber noch keine Reisewarnung. Im Übrigen ist abzuwägen, wie groß das Infektionsrisiko ist, wie die Dienstreise organisiert wird und wie man sich vor einer Infektion schützen kann.

 

<h3>8. Darf ich eine Dienstreise aus Angst vor dem Corona Virus verweigern?</h3>

 

Die Frage, ob ich als Arbeitnehmer eine Dienstreise aus Angst verweigern darf, ist gewissermaßen das Spiegelbild der vorhergehenden Frage, ob der Arbeitgeber eine Dienstreise anordnen darf. Auch hier kommt es daher auf den Einzelfall an, ob ich die Dienstreise verweigern darf oder eben nicht. Ist die Reise für mich als Arbeitnehmer unzumutbar und ihre Anordnung unzulässig, drohen keine Konsequenzen. Ist die Dienstreise hingegen in Ordnung, muss ich dem auch Folge leisten. Andernfalls verstoße ich gegen den Arbeitsvertrag und es droht eine Abmahnung und im schlimmsten Fall die Kündigung.

 

<h3>9. Wer trägt die Kosten, wenn ich in einem Hotel unter Quarantäne gestellt werde?</h3>

 

Wer Kosten der Quarantäne trägt, ist für Deutschland in Infektionsschutzgesetz explizit geregelt. Kosten für Quarantänemaßnahmen sind danach aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten, soweit nicht die von der Maßnahme betroffene Person oder ein anderer Kostenträger zu Kostentragung verpflichtet sind. Der „Staat“ zahlt somit grundsätzlich die Kosten für die Durchführung der Quarantäne.    

 

<h3>10. Bekomme ich den Ticketpreis zurück, wenn Veranstaltungen wegen Corona abgesagt werden?</h3>

 

Werden Veranstaltungen wie Musikkonzerte oder Fußballspiele abgesagt, heißt das erst einmal nichts anderes, als dass der Veranstalter dem Ticketkäufer den Konzert Besuch nicht ermöglicht und die vertraglich vereinbarte Leistung nicht erbringt. Im Gegenzug sieht das Recht dann vor, dass der Veranstalter den Kaufpreis nicht fordern kann bzw. den bereits gezahlten Kaufpreis erstatten muss.

 

Es gibt allerdings durchaus Veranstalter, in deren AGB steht, dass dies etwa für den Fall „höherer Gewalt“ ausgeschlossen ist. Dann bliebe der Käufer auf die Ticketkosten sitzen, obwohl ihn an der Absage überhaupt keine Schuld trifft. Solche nachteiligen Änderungen widersprechen der vom Gesetzgeber vorgegebenen Grundregel „Ohne Leistung kein Geld“ und sind daher grundsätzlich nicht wirksam. Der Ticketpreis wird also auch in diesem Fall zu erstatten sein.

 

<h3>11. Droht mir eine Strafe, wenn ich bei der Einreise nach Deutschland Corona-Symptome verheimliche.      </h3>

 

 Der Corona-Virus ist zwar durchaus meldepflichtig, muss also dem Gesundheitsamt gemeldet werden. Die Meldepflichten richten sich nach § 8 Infektionsschutzgesetz an bestimmte zur Meldung verpflichtete Personen, vor allem Ärzte und Angehörige anderer Heil- und Pflegeberufe. Eine Meldepflicht für den möglicherweise vom Coronavirus Betroffenen selbst sieht das Gesetz hingegen nicht vor. Insofern droht auch keine Strafe.

 

<h3>12. Was droht mir, wenn ich zuhause unter Quarantäne stehe und mich nicht daran halte?</h3>

 

Wem gegenüber Quarantäne angeordnet wird, der muss sich tatsächlich auch daran halten. Dabei spielt keine Rolle, ob man in einem Krankenhaus oder woanders, zum Beispiel zuhause „abgesondert“ wird.

 

Tatsächlich macht man sich strafbar, wenn man sich nicht an die angeordente Quarantäne hält. Nach § 75 Infektionsschutzgesetz drohen dann bis zu zwei Jahre Freiheit Strafe oder Geldstrafe, wenn man einer Quarantäneanordnung zuwiderhandelt

 

<h3>13. Kann ich eine schon gebuchte Reise aus Angst vor dem Coronavirus stornieren und bekomme ich dann mein Geld erstattet?</h3>

 

Von Pauschalreisen kann man jederzeit vor Reisebeginn zurücktreten, allerdings wird man dann im Normalfall mitunter saftige Stornogebühren zahlen müssen. Eine Ausnahme, also keine Stornogebühren, gilt dann, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise erheblich beeinträchtigen.

 

Es kommt daher immer auf den Einzelfall an, ob am Reiseziel wirklich solche Umstände vorliegen, d.h. wirklich ein echtes Erkrankungsrisiko besteht. Am klarsten ist der Fall, wenn es eine offizielle Reisewarnung vom Auswärtigen Amt für das Reiseziel gibt. Dann wird man in der Regel auch kostenfrei stornieren können. Ansonsten wird allein die abstrakte Befürchtung, dass man sich irgendwo anstecken könnte, nicht reichen.

 

Bei individuell gebuchten Reisen gilt dies nicht, hier kann ich nicht schon nicht jederzeit zurücktreten, so dass das Risiko hier höher ist, auf Kosten sitzen zu bleiben

 

<h3>14. Kann ich meine Pauschalreise aus Angst vor einer Ansteckung am Urlaubsort stornieren?</h3>

 

Von Pauschalreisen kann man jederzeit vor Reisebeginn zurücktreten, allerdings wird man dann im Normalfall mitunter saftige Stornogebühren zahlen müssen. Einen Grund für die Stornierung braucht man dann nicht. Eine Ausnahme, also keine Stornogebühren, gilt dann, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise erheblich beeinträchtigen. Es kommt daher immer auf den Einzelfall an, ob am Reiseziel wirklich solche Umstände vorliegen, d.h. wirklich ein echtes Erkrankungsrisiko besteht. Allein die abstrakte Befürchtung, dass man sich irgendwo anstecken könnte, wird nicht reichen.

 

<h3>15. Muss der Reiseveranstalter mir bei einer Absage der Pauschalreise den Reisepreis erstatten?  </h3>

 

Ein Reiseveranstalter kann u.U. selbst eine Pauschalreise absagen, insbesondere wenn die Reise aufgrund solcher unvermeidbar, außergewöhnliche Umstände nicht durchgeführt werden kann. Dann kann der Reiseveranstalter den Reisepreis nicht verlangen, also Flug, Hotel und alles, was zur Reise dazu gehörte. Auch als Reisender kann ich vom Vertrag zurücktreten und die Erstattung aller Kosten verlangen, wenn am Bestimmungsort unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die Durchführung der Pauschalreise erheblich beeinträchtigen.

 

<h3>16.  Wenn eine Kreuzfahrt abgesagt wird, bekomme ich dann meine Flugkosten erstattet?</h3>

 

Tatsächlich sind Kreuzfahrten zumeist Pauschalreisen, aber die An- und Abreise organisieren die Reisenden selbst. Wird nun die Kreuzfahrt abgesagt, dann drohen die Reisenden auf den Kosten der Flüge etc. sitzen zu bleiben. Auch hier kommt es darauf an, ob die Kreuzfahrt zu Recht wegen unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände abgesagt wurde. Das Kreuzfahrtunternehmen muss allerdings darlegen und im Zweifel auch beweisen, dass solche unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände vorliegen. Gelingt ihm das nicht, haben Reisende gute Chancen, dass das Kreuzfahrtunternehmen Schadensersatz leisten muss und die Flugkosten übernommen werden müssen.

 

Weitere Fragen beantwortet Nicole Mutschke diese Woche live bei stern TV: Mittwoch, 11.03.2020, ab 22:30 Uhr.