Die stern TV-Moderatoren im Interview

Für die Jubiläumsausgabe von stern TV stehen Günther Jauch und Steffen Hallaschka gemeinsam vor der Kamera.

Zum 30. Geburtstag von stern TV begrüßt Steffen Hallaschka in dieser Woche einen ganz besonderen Gast im Studio. Mehr als 20 Jahre lang war Günther Jauch das Gesicht von stern TV, führte Woche für Woche durch die Sendung – bis er Anfang 2011 die Moderation an Steffen Hallaschka übergab.

 

In der großen Jubiläumssendung am 2. September blicken die beiden Moderatoren gemeinsam zurück auf 30 Jahre stern TV. An welche Momente sie sich besonders erinnern und was sich in den letzten drei Jahrzehnten verändert hat:

 

<h2>Günther Jauch und Steffen Hallaschka im Interview</h2>

 

<h3>Herr Jauch, mit welchem Anspruch ist stern TV vor 30 Jahren an den Start gegangen?</h3>

 

Günther Jauch: Wir wollten etwas völlig Neues im deutschen Fernsehen machen: Eine Mischung aus Information und Unterhaltung. Wir wollten keinerlei Berührungsängste gegenüber Politik, Show, Komik oder Lebenshilfe haben. Das wollten wir in einer Art Wundertüte präsentieren, die es damals noch nicht gab. Früher wurden Sendungen noch in bestimmte Schubladen gesteckt: Das ist eine Informationssendung, das ist eine Dokumentation und das ist eine Unterhaltungssendung. Dass daraus eine Schnittmenge entstehen konnte, war neu.

 

<h3>30 Jahre sind beim Fernsehen eine wahnsinnig lange Zeit. Was hat sich in den Jahren verändert?</h3>

 

Günther Jauch: Die Sendung hat sich entwickelt, aber nicht so, dass man sie nicht wiedererkennen würde, auch wenn das in manchen Ohren abwertend klingen mag. Natürlich finden wir, dass wir alle vor 30 Jahren seltsam aussahen. Bei manchen Dingen hat man sich damals mehr Zeit genommen. Dafür ist aber die Technik auch vorangeschritten: Viel schnellere Schnitte sind heute möglich und man kann vom Bild her viel kreativer sein. Aber wir haben immer noch den Anspruch, mit der Sendung das gesellschaftliche Leben ohne Scheuklappen abzubilden. Das ist auch das Besondere der Sendung. Und, dass es eine Sendung ist, in der man Zeit hat – mittlerweile jeden Mittwoch fast zwei Stunden und das seit Jahrzehnten. Das ist einmalig im deutschen Fernsehen.

 

<h3>30 Jahre stern TV – das sind viele Sendungen. Gibt es eine Sendung, die sich besonders bei Ihnen eingebrannt hat?</h3>

 

Günther Jauch: Für mich persönlich war es ein besonderes Ereignis, dass Michael Gorbatschow bei einem diplomatischen Dinner in Bonn war. Da war die Diskussion um die deutsche Einheit auf dem Höhepunkt. Wir hatten gerüchteweise gehört, dass er solch ein Abendessen einfach verlässt, wenn ihm langweilig ist. Da machte uns die russische Delegation Hoffnung, dass er danach vielleicht noch bei uns in der Sendung vorbeischaut. Genauso passierte es dann auch: Er saß länger als eine halbe Stunde in unserem Studio und äußerte sich über das Weltgeschehen. Wir mussten damals sogar unsere Sendezeit überziehen, weil Herr Gorbatschow gar nicht mehr aufhörte, aus seinem Leben zu erzählen.

 

Mir ist zudem eine Sendung im Gedächtnis geblieben, die auf Initiative eines Zuschauers entstanden ist. Ich bekam eines Tages einen Brief aus Nepal mit Fotos von entsetzlich entstellten Menschen, die als Kinder in offene Feuerstellen gefallen waren und keinen Zugang zu medizinischer Versorgung hatten. Hier gab es einen deutschen Arzt, der diese Menschen behandeln wollte, dem aber das nötige Geld fehlte. Diesen Arzt haben wir eingeflogen und zu seiner Geschichte eine Sendung gemacht. Mit den Spendengeldern, die im Zuge dieser Sendung zusammenkamen, war der Arzt am Ende in der Lage, ein großes Krankenhaus zu bauen und in den Dörfern Behandlungseinheiten einzurichten. Mittlerweile hat er die nächste Generation an Ärzten ausgebildet, die sich um solche Menschen kümmern können. Diese Geschichte ist ein Beweis dafür, welche Kraft Fernsehen haben kann.

 

<h3>Steffen Hallaschka, Sie moderieren die Sendung jetzt seit zehn Jahren – das ist ein großes Erbe. Viele haben sich damals gefragt: 'Wie ist der Neue?' Worauf sind Sie besonders stolz?</h3>

 

Steffen Hallaschka: Ach, stolz überhaupt nicht. Ich bin wahnsinnig glücklich, dass das geklappt hat. Mir ging es genauso wie den Zuschauern. Ich bin damals mit den Worten rausgegangen: 'Ja, ich weiß, das ist komisch für Sie. Was soll ich denn erst sagen?' Denn genau so war auch mein Gefühl. Schon acht oder zwölf Wochen vor meiner ersten Sendung gab es eine riesen Erwartungshaltung, als bekannt wurde, dass es einen Wechsel gibt. Ich musste andauernd erklären, was anders wird, was neu wird und was wir völlig über den Haufen werfen werden. Wir haben nichts über den Haufen geworfen. Wir haben damals gesagt, die Sendung ist so stabil, so toll, das Team ist so stark und hat in den Reportagen und Beiträgen solch eine Kernqualität, das muss nur einer ordentlich präsentieren. Das habe ich dann versucht und die Zuschauer sind mitgegangen. Ich wusste selber nicht, ob das funktionieren wird. Nach einem halben Jahr war klar: Jetzt diskutiert keiner mehr über die fehlende Krawatte, jetzt komme ich langsam in den Wohnzimmern und Köpfen der Leute an.

 

<h3>Wie würden Sie den Markenkern von stern TV heute beschreiben?</h3>

 

Steffen Hallaschka: Der Markenkern ist noch ähnlich wie der in den Neunzigern. Es ist die beschriebene Wundertüte. Es ist ein Format ohne inhaltliche und formale Grenzen. Wir machen vom Kindergeburtstag bis zur politischen Debatte eigentlich alles in der Sendung. Aber sie hat sich natürlich dadurch verändert, dass sich die Welt außen herum verändert hat. Als stern TV in den Neunzigern losging, hat das Internet noch gar keine Rolle gespielt in Deutschland. Bewegtbild im Netz, YouTube, das sind alles Dinge, die kamen mit den Jahren. Dadurch hat sich die ganze Medienlandschaft beschleunigt. Was wir heute merken: Es reicht nicht mehr, am Mittwochabend den Menschen in der Sendung zu haben, der am Freitag die Schlagzeilen beeinflusst hat. Der ist dann nämlich im Netz und in allen anderen Medien schon rauf und runter gelaufen. Das bedeutet, wir konzentrieren uns heute mehr auf selbstgesetzte Themen, ganz stark auf Reportage – mehr als auf Köpfe. Wir haben heute weniger Prominente in der Sendung zu Gast, als es in den Neunzigern der Fall war. Wir versuchen stattdessen stärker als früher, Orientierung zu schaffen. Wir haben einen großen Blick auf Orientierung in der veränderten Welt, in der digitalisierten Welt. Wir machen viel Verbraucherjournalismus, viele Datensicherheits-Themen. Das sind Dinge, die so in den Neunzigern noch nicht auf der Liste standen.

 

<h3>Ist es in Zeiten von Corona wichtiger denn je, Orientierung zu schaffen? Was bedeutet die Pandemie für die Berichterstattung von stern TV?</h3>

 

Steffen Hallaschka: Corona war für stern TV vor allem in den ersten Wochen der Pandemie eine besondere Herausforderung. Zum einen, weil die Erkenntnisse sich täglich mehrten und veränderten. Orientierung zu schaffen und sich selbst Orientierung zu verschaffen, waren quasi ein und dasselbe. Eine Art Live-Journalismus in Echtzeit. Zum anderen wollten wir trotz der inhaltlichen Herausforderungen mit unserer stern TV-Kernkompetenz aufwarten: Geschichten von Menschen zu erzählen. Wir hatten als erste Sendung im deutschen Fernsehen eine Liveschalte zu einem coronainfizierten Paar in häuslicher Quarantäne. Das klingt mit dem Abstand von ein paar Monaten wenig spektakulär, hatte aber im Frühjahr eine wichtige Bedeutung, weil Schlagzeilen und Statistiken plötzlich ein Gesicht bekamen.

 

<h3>Gab es für Sie besonders einprägsame Momente, die Sie während der Berichterstattung zur Corona-Krise erlebt haben? Was nehmen Sie als Moderator von stern TV und persönlich aus dieser Zeit mit?</h3>

 

Steffen Hallaschka: Das Coronajahr 2020 ist die vielleicht intensivste und aufreibendste Zeit, die ich mit stern TV erlebt habe. Und das, obwohl mein Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen auf ein Minimum reduziert war. Ich habe über Monate die Redaktion nicht betreten und mich mit der Redaktion nur telefonisch und in Videokonferenzen besprochen. Auch im Studio haben wir mit reduzierter Mannschaft gearbeitet und penibel die Hygiene- und Abstandsgebote eingehalten. Ich bin mit dem eigenen Auto zwischen Homeoffice und Studio gependelt und habe anfangs sogar in meiner Garderobe übernachtet, um Kontaktrisiken im Hotel zu vermeiden. Der Rest der Arbeit lief auf Distanz. Und dennoch musste ich mich wegen einer Quarantäne-Anordnung sogar in einer Sendung vertreten lassen. Das alles hat nicht im eigentlichen Sinne Spaß gemacht. Aber es war eine sehr intensive und auch befriedigende Zeit, weil wir zum Teil mit verlängerter Sendezeit und trotz erschwerter Bedingungen hervorragende Sendungen produziert haben. Ich habe noch einmal neu gelernt, in was für einem großartigen Team ich arbeiten darf. Diese Gewissheit und Zufriedenheit nehme ich mit.

 

<h3>Was war Ihre persönliche Highlight-Sendung?</h3>

 

Steffen Hallaschka: Wenn ich an besondere Momente denken soll, denke ich immer an das Comeback von Gaby Köster bei stern TV. Für mich war es eine große Verantwortung und Aufregung, diese Kollegin, die noch immer sichtbar an den Folgen ihres Schlaganfalls litt, auf die Bühne zu führen. Für mich war eigentlich jede Sendung im Januar 2011, als ich erstmals als Moderator durch den Studio-Stern gehen durfte, auch speziell. Es war wie ein Fallschirmsprung, bei dem man nicht weiß, ob sich der Schirm unterwegs öffnet und man unten sicher landet. Und die Erleichterung am nächsten Morgen, als ich sah, dass die Kritiken gar nicht so schlecht waren, das habe ich auch noch als einen besonderen Moment in Erinnerung. 

 

<h2>Die Karrieren der stern TV- Moderatoren</h2>

 

<h3>Steffen Hallaschka</h3>

 

Steffen Hallaschka beginnt seine journalistische Karriere nach seinem Studium in Frankfurt zunächst beim Radio. Im Alter von 21 Jahren übernimmt er 1993 die Moderation des Jugendmagazins „Radio unfrisiert“ beim Hessischen Rundfunk. Zwischen 2000 und 2008 moderiert er verschiedene Primetime-Formate bei den rbb-Radioprogrammen „Fritz“ und „radioeins“.

 

Seine TV-Laufbahn startet Steffen Hallaschka 1996 mit der Moderation des Jugendformates "100 Grad", einer Koproduktion von Deutsche Welle TV und dem ORB. Es folgen zahlreiche Moderationen verschiedener Sendungen bei öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern. Von 2006 bis 2010 moderiert er unter anderem das wöchentliche Verbrauchermagazin „Markt“ im NDR-Fernsehen. Für seine Moderation der WDR-Politikshow „Kanzlerbungalow“ wurde er 2004 für den Grimme-Preis nominiert.

 

Seit dem 12. Januar 2011 ist Steffen Hallaschka nun Gastgeber von stern TV.

 

<h3>Günther Jauch</h3>

 

Seine journalistische Karriere beginnt Günther Jauch 1975 beim RIAS Berlin Sportfunk. Im Anschluss besucht er die Münchener Journalistenschule und arbeitet für die Sportredaktion des Bayerischen Rundfunks. Gemeinsam mit Thomas Gottschalk startet er 1985 die legendäre B3-Radioshow und steht in den darauffolgenden Jahren für verschiedene Sendungen vor der Kamera, unter anderem für „das aktuelle sportstudio“.

 

Im Jahr 1990 geht Günther Jauch zum ersten Mal mit dem Format "stern TV" bei RTL auf Sendung, das er 20 Jahre lang moderieren wird. Daneben präsentiert er seit 1996 den großen RTL-Jahresrückblick "Menschen, Bilder, Emotionen" und stellt seit 1999 seinen Gästen bei „Wer wird Millionär?“ kniffelige Quizfragen.

 

Zwischen 2011 und 2015 moderiert Günther Jauch eine wöchentliche Talkshow bei der ARD und tritt zwischen 2013 und 2017 regelmäßig in "Die 2 – Gottschalk & Jauch gegen ALLE" gegen das Publikum an. Für seine Arbeit hat Günther Jauch zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten, unter anderem den Deutschen Fernsehpreis, den Grimme-Preis, die Goldene Kamera, den Bambi und den Goldenen Löwen.

 

Seit August 2018 steht er zudem gemeinsam mit Barbara Schöneberger und Thomas Gottschalk in der RTL-Show "Denn sie wissen nicht, was passiert! Die Jauch-Gottschalk-Schöneberger-Show" vor der Kamera.